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Peter Gerwinski – Artikel
31.12.2004–4.1.2005
Als Kind war ich ein regelmäßiger und bewußter Fernsehzuschauer. Jede Woche studierte ich – wie jeder in meiner Familie – die Fernsehzeitschrift und notierte oder merkte mir, welche Beiträge mich interessierten. Oft saß dann die ganze Familie abends zusammen. Wir schalteten das Gerät zur Ansage ein und nach dem Nachspann aus und diskutierten oft noch lange über das Gesehene.
1984 nahm RTL als erster privater deutscher Fernsehsender seinen Betrieb auf. Bald folgte SAT1. Damit hatten wir fünf Programme statt der bisherigen drei.
Seit ca. 20 Jahren ohne Fernsehen |
Merkwürdigerweise führte dies bei mir nicht zu verstärktem Fernsehkonsum. Im Gegenteil: Ohne daß ich bewußt darauf hingearbeitet hätte, verlor ich nach und nach das Interesse an der Tätigkeit „Fernsehen“.
Im Nachhinein neige ich dazu, die Werbung als Ursache für meinen Rückzug vom Fernsehgeschehen zu identifizieren: War bis dahin das Werbefernsehen ein Block, der vor dem Abendprogramm lief, breitete es sich ab 1984 nach und nach über das gesamte Programm aus. Zuerst verschwanden die Sendepausen, dann die Ansagen. Werbung verdrängte die Uhr, die die letzte Minute vor der Tagesschau begleitete. Der Nachspann als gemütlicher Ausklang des Films wich einer hektischen Vorschau, damit der Zuschauer bloß nicht auf die Idee komme, jetzt auszuschalten und noch einmal über das Gesehene nachzudenken. Irgendwann hatte ich einfach keine Lust mehr, meine kostbare Freizeit für derartiges „Kulturgut“ zu opfern.
So was es auch nur natürlich, daß mein erster eigener Haushalt über gar kein Fernsehgerät verfügte. Und so ist es bis heute. Das Filmerlebnis im Kino ist ohnehin besser, und Online-Nachrichten sind ohnehin aktueller, detaillierter und in der Summe objektiver, als Fernseh- oder Radionachrichten jemals waren.
Zweimal Radiogebühren |
Natürlich zahle ich weiterhin GEZ-Gebühren – schließlich will ich ja auf der Autobahn rechtzeitig vor Staus, Gegenständen auf der Fahrbahn usw. per Radio gewarnt werden. Da ich das Auto sowohl privat als auch beruflich nutze, zahle ich zweimal Radiogebühren, ab 1.1.2005 also 10,64 € pro Monat.
Bis hierhin kann ich die Ansprüche der GEZ gegen mich noch ungefähr nachvollziehen.
Nicht mehr nachvollziehen kann ich hingegen, daß ich ab 2007 wieder Fernsehgebühren an die GEZ werde zahlen müssen, und zwar voraussichtlich mehr als jeder „normale“ Haushalt.
Wie u.a. heise online berichtete, wird ab dem 1.1.2007 die GEZ-Gebühr nicht nur für Fernsehgeräte, sondern auch für Internet-PCs fällig.
Ich habe beruflich sehr viel mit Computern zu tun – ich lebe davon. In meinem Haushalt befinden sich ständig mindestens fünf einsatzfähige Computer. Ein Breitband-Internetanschluß ist natürlich auch vorhanden.
Ab 2007: Mehr Fernsehgebühren als „normale“ Haushalte |
Nach Auffassung der GEZ sind diese Computer Fernsehgeräten gleichgestellt. Je nachdem, wie die genaue Regelung aussehen wird, kann dies bedeuten, daß ich ab 2007 für jeden dieser Computer monatlich 17,03 € GEZ-Gebühren bezahlen muß, vielleicht aber auch „nur“ einmal für alle zusammen.
Was für eine Gegenleistung erhalte ich dafür?
Anscheinend stellen ARD und ZDF ihr Fernsehangebot auch auf Webseiten zur Verfügung. Was habe ich davon? Wenn mich dieses Angebot interessieren würde, hätte ich mir vermutlich ein Fernsehgerät zugelegt.
Genau wie ARD und ZDF stelle auch ich Webseiten zur Verfügung – Sie lesen gerade eine davon. Die Mitarbeiter von ARD und ZDF dürfen das ebenfalls – sogar völlig kostenlos. Das Internet basiert auf dieser Gegenseitigkeit. Wieso soll ich für die Webseiten von ARD und ZDF Geld bezahlen, aber nicht umgekehrt?
Auch in Australien kann man die Webseiten von ARD und ZDF – oder meine – besichtigen. Werden deutsche GEZ-Gebühren auch in Australien erhoben? Oder muß ich umgekehrt demnächst zusätzliche Gebühren nach Australien abführen, weil ich auch von dort Webseiten abrufen kann?
Internet-Abgabe |
Einen gewissen Fortschritt würde es bereits darstellen, wenn man dieses System wenigstens als das bezeichnen würde, was es ist, nämlich als Internet-Abgabe. Ungerecht bliebe es trotzdem: Tausende von Organisationen, Firmen und Privatpersonen erbringen die Leistung, das Internet aufzubauen. Auch ich leiste hierzu meinen Beitrag. Das eingenommene Geld fließt an die GEZ.
Mit diesem Geld dreht die GEZ dann Werbefilme, in denen sie auf ihre eigene Wichtigkeit hinweist, und plaziert sie im Kino-Vorprogramm.
Und damit schließt sich der Kreis: Wer nicht fernsehen will, muß trotzdem zahlen, und das Geld wird dafür verwendet, ihm auch im Kino die Stimmung zu verderben. Das wäre ja noch schöner, wenn hier jeder selbst entscheiden dürfte, auf welche Weise er informiert und unterhalten werden will!
Als Angehöriger einer Minderheit – kein Fernsehen, aber Internet und sogar mehrere Computer – habe ich wahrscheinlich keine guten Aussichten, bei Entscheidungsträgern Beachtung zu finden. Daher nur ein abschließender Hinweis: Von dem Geld, das man mir hier aus der Tasche zieht, könnte ich sonst ins Kino gehen, Computer-Zubehör kaufen oder sonst etwas tun, was der deutschen Wirtschaft zugute käme.
So schön es ist, wenn Politiker zu einem „Ruck durch Deutschland“ aufrufen: Wieso werden dann diejenigen abgestraft, die tatsächlich neue Wege beschreiten?
Update: Ab 2013 dürfen wir (2 Personen, privat und beruflich) übrigens zweimal Radio-und-Fernsehgebühren zahlen plus Gebühren für ein drittes Radio. Wir besitzen zwei (Auto-)Radios und kein Fernsehgerät, und wir beziehen keine Radio- oder Fernsehprogramme aus dem Internet. Laut Bundesverfassungsgericht ist das gerecht.
Weitere Informationen zum Thema:
Ein Journalist dokumentiert die Vorgehensweise der GEZ beim Eintreiben von Gebühren und zeigt Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung auf.
Ein harmloser Scherz führt zur Androhung von 1000 Euro Strafgebühren und beleuchtet die Praxis der GEZ, Fernsehgeräte nach Belieben als „vorhanden“ vorauszusetzen und zwangsweise anzumelden.
Die Vereinigung der Rundfunkgebührenzahler hat am 31.3.2006 eine Verfassungsbeschwerde gegen Rundfunkgebühren auf Internet-PCs eingereicht.
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